Was ist Design Thinking? 6 Phasen im Überblick und Beispiele

Viele konventionelle Methoden in der Produktentwicklung beginnen mit der Idee. Basierend darauf entwickeln Unternehmen ein Produkt oder Feature, für das sie dann die passenden Nutzer:innen suchen. Design Thinking kehrt dieses Prinzip um: Die Produktentwicklung beginnt dabei nicht mit der Idee, sondern mit dem Nutzerbedürfnis. So geht es darum, Produkte und Features aus den tatsächlichen Bedürfnissen, Problemen und Beobachtungen der Nutzer:innen abzuleiten.

Design Thinking

Kurz erklärt: Was ist Design Thinking?

Design Thinking ist eine Methode der Produktentwicklung, bei der Teams Lösungen konsequent aus echten Nutzerbedürfnissen ableiten. Statt von einer Idee auszugehen, gilt es zunächst, Nutzer:innen zu beobachten und mit ihnen zu sprechen, um so ihre Probleme zu verstehen. Basierend darauf werden dann mögliche Lösungsansätze definiert und erste Prototypen erstellt. 

Ziel eines solchen Prototyps ist es, herauszufinden, ob eine Idee grundsätzlich funktioniert, ohne viel Zeit und Geld in die eigentliche Entwicklung investieren zu müssen. Anhand von Test-Nutzern lässt sich so validieren, ob eine Produktidee das Nutzerbedürfnis befriedigt und es damit wert ist, weiterentwickelt zu werden. 

Der Design Thinking Prozess: Die 6 Phasen

Beim Design Thinking handelt es sich um eine kreative Methode, die jederzeit offen für Iterationen ist. Gleichzeitig jedoch gibt es ein klar strukturiertes Vorgehensmodell. Genau das macht die Methode in der praktischen Anwendung so beliebt. So lässt sich der Design Thinking Prozess in 6 konkrete Phasen einteilen. 

Wichtig vorab: Design Thinking ist kein starres Prozessmodell, sondern ein Lernzyklus. So kann es vorkommen, dass die letzte Phase des Testens zeigt, dass Nutzer mit vielen Funktionen des Prototyps unzufrieden sind. Dann gilt es, vorherige Phasen erneut zu durchlaufen. Sollte sich herausstellen, dass eine Produktidee der Testphase grundsätzlich nicht standhält, kann es auch erforderlich sein, den Prozess komplett neu zu beginnen. 

Phase 1: Verstehen

In der ersten Phase geht es darum, die Rahmenbedingungen für alle weiteren Schritte abzustecken. 

Beispiel: Angenommen, es geht darum, eine App für die Parkplatzsuche zu entwickeln. Dann stellt sich die Frage, ob und welche Lösungen es schon gibt. Außerdem gilt es, den technischen Rahmen zu klären. Anhand welcher Sensoren, wie Kameras, Bodensensoren oder Induktionsschleifen, lässt sich messen, ob ein Parkplatz frei ist? Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen spielen hier eine Rolle. Ist es datenschutzrechtlich erlaubt, Videoaufnahmen zu verwenden? 

Zum Verstehen zählt auch das Abstecken unternehmerischer Leitplanken wie das verfügbare Budget und personelle Ressourcen. Ein 10-köpfiges Produktteam aus Produktmanagern, Engineers und UI/UX Designern hat ganz andere Möglichkeiten als ein frisch gegründetes Start-up. Erst wenn Kontext, Stakeholder, Markt und Technik für alle Beteiligten transparent sind, geht es weiter mit Phase 2.

Phase 2: Beobachten

Die Grundeinstellung des Product Designers lautet: „Ich weiß nicht, was der Nutzer wirklich braucht. Also finde ich es heraus.“ Mit diesem „Beginners Mind“ folgt nun die direkte Auseinandersetzung mit potenziellen Nutzer:innen. Dabei bieten sich verschiedene Möglichkeiten.

Eine häufige Methode, die dabei zur Anwendung kommt, sind Nutzerinterviews und Fragebögen. Berichten zum Beispiel mehrere Nutzer darüber, dass sie bereits selbst eine improvisierte Lösung für ein bestimmtes Problem geschaffen haben, ist das ein guter Hinweis auf ein mögliches neues Produkt oder Feature.  

Ein häufiger Fehler in Phase 2 besteht darin, Interessen der Organisation mit den Nutzerbedürfnissen zu verwechseln. Während es in Phase 1 auch um die Ziele, Rahmenbedingungen und Erwartungen der Organisation geht, richtet Phase 2 den Blick konsequent auf die Realität der Nutzer. 

Phase 3: Definieren

In dieser Phase geht es darum, die gewonnenen Erkenntnisse aus Phase 2 zu verdichten. Dabei gilt es immer auch die in Phase 1 abgesteckten Leitplanken im Blick zu haben. Das Team ordnet Interviews, Beobachtungen und gesammelte Daten, erkennt Muster und leitet daraus die zentralen Bedürfnisse der Nutzer ab.  

Beispiel: In Interviews mit älteren Menschen stellt sich heraus, dass diese oft viele Medikamente einnehmen müssen. Häufig vergessen sie die Einnahme oder verwechseln Tabletten. Mit Apps oder Remindern zu arbeiten überfordert sie, da sie im Umgang mit Smartphones nicht vertraut sind. 

Damit werden die gesammelten Informationen zu einem konkreten Problem verdichtet, das im Design Thinking auch als Point of View (POV) bezeichnet wird. Ein weiteres Instrument an dieser Stelle ist die Persona. Die Persona ist eine fiktive Figur, die auf echten Daten und Beobachtungen basiert. Während der Point of View also die gesammelten Informationen zu einer konkreten Problemstellung verdichtet, ist die Persona das Abbild einer konkreten Person, die die Zielgruppe repräsentiert. Beide gelten als Leitlinie für die folgenden Phasen. 

Phase 4: Ideen entwickeln

Sind Problemstellung und Persona bekannt, geht es darum, passende Lösungsansätze zu generieren. Der Grundgedanke dabei: Quantität erzeugt Qualität. Denn nur aus vielen Ideen lassen sich die wirklich guten herausfiltern. Es wird also zunächst einmal jede Idee gesammelt, egal wie verrückt sie zunächst klingen mag. Typische Methoden in dieser Phase sind Storyboards, Brainwriting und Brainstorming. 

Erst im nächsten Schritt geht es darum, die gesammelten Ideen zu bewerten und zu priorisieren. Welche Lösung adressiert das definierte Problem am besten? Welche Idee ist für die Persona wirklich hilfreich? Und welche ist innerhalb der organisatorischen Rahmenbedingungen realistisch umsetzbar? Die wertvollsten Ideen werden als Prototyp getestet – dazu mehr im folgenden Abschnitt. 

Phase 5: Prototyp bauen

Nun geht es darum, Ideen mittels Prototyp greifbar zu machen. Bei einem Prototyp handelt es sich um ein unfertiges, frühes Versuchsmodell des eigentlichen Produktes. Hier lautet das Motto: Fail fast. So ist es das Ziel, ein Produkt mit echten Nutzern zu testen, bevor es aufwändig und mit hohen Investitionen entwickelt wird. 

Für Websites und Software lassen sich solche Prototypen schnell und unkompliziert mit Low-Fidelity-Wireframes, Klickdummies oder einfachen Skizzen von User Interfaces erstellen. Sie müssen weder hübsch noch vollständig sein. Wichtig ist lediglich, dass sie eine Idee simulieren, sodass Nutzer:innen damit interagieren können. Für das Prototyping kommen im UX/UI Design und im Product Engineering mittlerweile eine ganze Reihe an Tools wie Figma oder Sketch zum Einsatz. 

Phase 6: Testen

In Phase 6 geht es darum, den zuvor entwickelten Prototyp mit realen Nutzer:innen zu testen. Ziel dabei ist es weniger, Bestätigung zu sammeln, sondern herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Im Design Thinking liegt der Fokus auf dem Lernen, nicht auf dem Beweisen. 

Das Produktteam legt fest, welche Fragen im Rahmen der Tests beantwortet werden sollen. Dann beobachten sie, wie Nutzer:innen, möglichst ohne Anleitung, mit dem Prototyp interagieren. Finden Nutzer die wichtigsten Funktionen? Wo entstehen Missverständnisse? Anhand von Fragebögen und Interviews lässt sich strukturiert Feedback sammeln und daraus Erkenntnisse ableiten. Das Testing kann dabei zurück zu früheren Phasen führen:

  • Wenn das Problem falsch definiert war → zurück zu Phase 3
  • Wenn der Prototyp unklar ist → zurück zu Phase 5
  • Wenn neue Bedürfnisse auftauchen → zurück zu Phase 2

Design Thinking ist somit kein linearer Prozess, sondern ein Kreislauf. 

Was passiert, wenn eine Lösung validiert ist?

Design Thinking endet mit einer validierten Lösungsidee, nicht mit einem fertigen Produkt. Sobald ein Prototyp mehrfach getestet wurde und zuverlässig funktioniert, geht es um die konkrete Umsetzung. Dabei kommen beispielsweise Methoden wie agile Entwicklung, Scrum oder Lean Startup zum Einsatz.